Das „Gender Gap“ – Gesprochene Sonderzeichen

„Pandemiebedingt haben wir nun eine Außenbühne, damit alle Zuschauer*innen gut sehen können.“ Sollen jetzt doch alle innen zuschauen? Ob uns solche Formulierungen für Geschlechtervielfalt sensibilisieren, schauen wir uns jetzt an.

Mannigfaltige Sonderzeichen wie der Asterisk (*), der Unterstrich (_), der Doppelpunkt u.v.m. sollen zusätzlich zum geschriebenen Wort eine sprachliche Metaebene beschreiben, die alle „Geschlechtsidentitäten” erfasst. Dieses Video geht dem ganzen auf den Grund.

Liebe Leser!

Oder sollte ich euch geschlechterbetonend als „Leserinnen und Leser“ begrüßen? Da diese vollständige Dopplung manchmal recht umständlich erscheint, ist seit geraumer Zeit eine Art Kontraktion in Gebrauch, also eine sprachliche Verkürzung: Mittels sogenanntem glottalem Kehlkopfverschlusslaut oder Glottisschlag geht eine Sprechpause in feminin movierte Formen ein, also in die von einer Grundform abgeleitete, spezifisch weibliche Form. Vor dem Movierungssuffix „-in“ fügt man eine Sprechpause ein, das sogenannte „Gender Gap“, die in vielfältigen Formen verschriftlicht wird: mit Asterisk *, Unterstrich _, Trema ï, Doppelpunkt :, Multiplikationszeichen ⋅, mit Binnenmajuskel (groß-I) und vielem mehr. Diese beliebig kurze Pause soll auch nicht-binäre, also diversgeschlechtliche, Personen einschließen. In der Praxis wird die Pause jedoch oft überhört, sodass man leicht den Eindruck gewinnen kann, es gehe ausschließlich um Frauen. Durch die veränderte Aussprache verschiebt sich aber auch die Silbengrenze: Normalerweise hieße es Zuschauerin. Jetzt wird daraus aber Zuschauer-in. Besonders im Plural entstehen deshalb oft missverständliche Konstrukte:

  • „Woran arbeiten unsere Außendienstmitarbeiter_innen?“
  • „Wie gestaltet man eine Benutzer:innenoberfläche?“
  • „Was putzen eigentlich Fassadenreiniger*innen?“
  • „Gibt es hier drinnen auch Innenarchitekt⋅innen?“

Problematisch wird die Vielfalt der für die Pause genutzten Sonderzeichen gerade für Leute, die ohnehin Probleme bei der Texterfassung haben oder auf Sprachausgabe angewiesen sind. Will man in solchen Texten etwas automatisch suchen, funktioniert dies teilweise nicht, wenn die maskuline Form gar nicht mehr enthalten ist, wie beim Wort „KollegIn“.

Besonders kompliziert wird es, weil alle mit diesen Wörtern in Zusammenhang stehenden Pronomen und Artikel gegendert werden müssen: „Jede:r Schülerïn hat seinen_ihren Banknachbar⋅in.“ Beim Wort „Banknachbar⋅in“ sehen wir, dass es nicht mehr funktioniert, weil es im Maskulinum „Banknachbarn“ hätte heißen müssen. Gleiches gilt für das Possessivpronomen, das hier gedoppelt wurde. Wollen wir ernsthaft so miteinander reden?

Eines sollte man keineswegs vergessen: Der Hauptzweck einer Sprache besteht in der Kommunikation miteinander. Der Hinweis auf Geschlechter hat in bestimmten Fällen einen Sinn – und dann bietet unsere Standardsprache die Möglichkeit, dies zu betonen. Meist ist das Geschlecht aber nebensächlich – und dann sollte man es auch dabei belassen.

Der nächste Beitrag behandelt Ersatzbegriffe zur Elimination von Maskulina.